Die Rolle des Internets beim Fall Guttenberg(s)

Keine 24 Stunden nachdem Dr. Guttenberg seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern erklärt hat wird darüber spekuliert, ob das Internet den Minister zu Fall gebracht hat. Robin Meyer-Lucht stellt auf Carta die These auf, dass das GuttenPlag Wiki und die Unterschriftensammlung von Doktoranden über das Netz einen entscheidenden Beitrag zum Rücktritt des Ministers leisteten. Mittlerweile findet sich auf dem Blog auch eine Zitatesammlung, die die These untermauern soll.

Die Causa Guttenberg verdeutlicht, dass die “Netzgemeinde” ein wichtiger Faktor im politischen Gefüge geworden ist. GuttenPlag Wiki, die Unterschriftensammlung der Doktoranden, die über das Internet organisierten Anti-Guttenberg-Demonstrationen und die Reaktionen in zahlreichen Blogs oder auf Twitter belegen das. Die Stimmung im Netz war und ist aber nicht nur Contra Guttenberg. Die Kommentare auf Guttenbergs Facebook-Seite und der große Zulauf für die nach dem Rücktritt ins Leben gerufene Unterstützergruppe auf Facebook “Wir wollen Guttenberg zurück” widersprechen der These vom starken Einfluss der “Netzgemeinde” auf den Rücktritt.

Meiner Meinung nach ist der mediale Druck auf Guttenberg letztlich den Bettel hinzuschmeißen einer Wechselwirkung zwischen traditionellen und neuen Medien geschuldet. Etablierte Medien berichteten als erste über die Plagiatsvorwürfe, danach starteten das wiki-Projekt und die Debatten auf Blogs und anderen Social-Media-Plattformen. Als schließlich Zug um Zug die Ausmaße der Vorwürfe ans Licht kamen, nahmen die etablierten Medien die Kugel wieder auf und trieben sie weiter. Spiegel, FAZ, FTD und Co fungierten als Multiplikator für die Netzmeinung. Auf der anderen Seite positionierte sich die Bild-Zeitung. Erst berichtete sie drei Tage, sagen wir mal, nicht so wie man es von ihr gewohnt ist bei Politikerfehltritten, und spielte sich im Anschluss als der Anwalt der Pro-Guttenberg-Fraktion auf. Genutzt hat es bekanntermaßen nix.

Ich ziehe aus dem Beispiel Guttenberg vier Lehren:

  1. Das Internet wird stärker und heterogener in der Öffentlichkeit wahrgenommen.
  2. Es bedarf reichweitenstarker, traditioneller Medien die Meinung der “Netzbürger” weiterzuverbreiten.
  3. Journalisten und Blogger können sich ergänzen.
  4. Der Einfluss der Bild ist nicht unendlich.

Die Frauenquote des Internets

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Was für ein schönes Jahrtausend. Sexismus? Passé, in der entwickelten Welt. Alice Schwarzer sucht sich bald ein neues Hobby, denn überhaupt ist spätestens seit Web 2.0. die soziale und politische Kommunikation „crowdsourced“, ein Grassroots-Phänomen, an dem alle Menschen frei und gleich teilnehmen können. Potentaten in Nordafrika erzittern vor Twitter, Facebook hat mehr Macht als Radio Free Europe, Wikileaks gibt auf der Bühne der Weltpolitik einen Elefanten im Porzellanladen, der sämtliche politischen Selbstdarsteller erblassen lässt. Das Internet verändert die Welt ganz grundlegend. Sogar die spöttischen Stimmen sind verstummt, die zumindest sein frühes Wachstum allein dem unbegrenzten Zugang zu unanständigen Bildchen zuschreiben.

Doch wem gehört das Internet? Wem vertrauen wir, wenn wir die Wikipedia als Bibel der Allgemeinbildung verwenden? Wir treffen einen alten Bekannten an der Wurzel der neuen Weltordnung: Das Patriarchat. Weiterlesen

Update 2: Und wieder ein neuer Newsaggregator: Commentarist

commentarist Seit heute ist Commentarist aus der Beta-Einladungsphase draußen und frei zugänglich: ein übersichtlich gegliederter Newsaggregator, der nach eigenen Angaben “Kommentare & Kolumnen von mehr als 1000 Journalisten” zentral zugänglich macht. Im Unterschied zu anderen Aggregatorangeboten fokussiert Commentarist mehr auf Journalisten. So wird vor der Medienquelle der Name des Journalisten angegeben und mit einem Klick auf den Autorennamen erhält man weitere Beiträge des Autors sowie die Möglichkeit Hinweise auf neue Beiträge per RSS zu abonnieren.

Das Angebot wird von Eric Hauch, einem ehemaligen Journalisten der Financial Times Deutschland, redaktionell begleitet und von einem rumänischen Programmierer technisch umgesetzt – daraus ergibt sich vermutlich auch, dass der offizielle Sitz des Angebots in Rumänien liegt.

Auslöser für die Gründung von Commentarist war, so ist auf dem offiziellen Commentarist Blog zu lesen, dass Hauch während der Bundestagswahl 2009 nach persönlichen Einschätzungen der Journalisten gesucht hat. Sein Ziel war es also mit dem neuen Angebot weniger Fakten zu duplizieren, sondern vielmehr einen Überblick über die Meinungen der Journalisten der führenden Medien zu bekommen.

Auf den ersten Blick präsentiert sich das Angebot übersichtlich und führt den User intuitiv durch die Möglichkeiten. Dabei erscheint die Seite nicht mit Features überfrachtet, sondern konzentriert sich auf die Inhalte. Allerdings beschränkt sich die Seite offenbar auf die online Angebote 16 klassischer Nachrichtenquellen, zu denen natürlich die führenden Zeitungen, Magazine Deutschlands sowie heute.de und die tagesschau.de gehören. Die Auswahl erscheint damit etwas willkürlich und eingeschränkt – Beiträge, die nur Print erscheinen werden offenbar nicht erfasst.

Natürlich kündigen die Macher via Twitter bereits eine iPad Version an; auch ansonsten bietet das Angebot noch viel Ausbaumöglichkeiten – ich stelle mir etwa eine Kombination mit Rivva vor, um nicht nur die klassischen Medien und Journalisten zu berücksichtigen, sondern auch die reine Online-Welt zu integrieren.

Insgesamt ein schönes Angebot, dem ich viel Erfolg wünsche und gespannt bin, wie es weiterentwickelt wird.

===Update 8.2.2011===

Leider ist Commentarist seit 4. Februar schon wieder offline. Grund dafür ist, dass bisher zwei nicht genannte große Verlage, die Macher auf  Urheberrechtsverletzung verklagt haben. Mehr dazu gibt es bei Spiegel Online und bei netzwertig. Netzwertig hat wohl Details bei Eric Hauch angefragt, der aber erst nach Rücksprache mit seinem Anwalt auf die Fragen eingehen will. Ein weiteres Kapitel in der Geschichte alte, mächtige 1.0 Verlage gegen junge 2.0 Davids wird damit wohl geschrieben werden.

===Update 15.02.2011===

Jetzt ist es raus: FAZ und SZ sind die beiden Verlage, die gegen Commentarist vorgehen. In einem ausführlichen Artikel beschreibt Spiegel Online, die selbst betroffene sind, das Vorgehen der Anwälte gegen den Newsaggregator. Meine Meinung: die beiden Zeitungen schaden sich selbst! Wieder ein Beispiel dafür, dass die altehrwürdigen Verlagshäuser das Prinzip Vernetzung nicht verstanden haben; daran werden sie scheitern, wie die Musikindustrie.

“L’une chante, l’autre pas” – während einige Medien authentisch twittern, lassen andere den Automaten zwitschern

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André Vatter hat sich auf seinem wunderbaren Blog die Arbeit gemacht einmal nachzusehen, welche großen Medien ihren Twitter-Account wirklich als Kommunikationsmedium nutzen, und welche Twitter nur als automatisierten Kanal für ihre News vom Automaten befüllen lassen.

Grundsätzlich hält er erfreut fest, dass die meisten Medien überhaupt schon einmal über einen Twitter-Kanal verfügen:

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Kann man eine Zeitung mit 140 Zeichen füllen?

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Man kann! Und zwar mit paper.li. Die Schweizer Entwickler dieses Eigenartigen und spannenden Dienstes starteten gestern die deutsche Version ihres Twitter-Publikationsdienstes. Was macht paper.li?

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BILD jetzt mit mehr Tiefe – Zeitung erscheint am Samstag in 3D

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Und ich dachte immer, die BILD wäre auf dem linken Auge blind …

Am Samstag erscheint die BILD-Zeitung großteils dreidimensional: alle Bilder und Anzeigen werden dem Leser mittels mitgelieferter 3D-Brille besonders in Auge fallen. Viele Anzeigenkunden haben extra für diese BILD-starke Ausgabe Sondermotive entworfen. Den Titel hat VW gebucht (wenn schon nicht in der Bundesliga, dann wenigstens in der BILD ganz vorne!), aber auch Media Markt war nicht blöd und ist wie man hört mit Sondermotiven dabei. Sogar die Online-Ausgabe bild.de soll teilweise auf die dritte Dimension setzen. Hoffen wir, dass die Überschriften der Printversion nicht auch in die dritte Dimension driften: bei der Überschriftengröße würden vermutlich die Arme nicht mehr reichen, um das Blatt aufzuschlagen …

Der schleichende Tod der Computerpresse – Die PC Welt wird zum Handynavifotokeyboardvideospielewebplayerheftchen

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computerpresse 2010

Die Leitmedien der Computerpresse verlieren – bis auf die c’t – drastisch an verkaufter Auflage

Es vergeht kaum mehr eine Woche ohne Kündigungswellen oder die Einstellung mehr oder weniger etablierter Titel der Computerpresse. Dabei hat es in den letzten Monaten nicht nur liebgewonnene kleine Titel wie die Computerzeitung (die immer nur die Nummer 2 nach der Computerwoche war) oder die Network Computing erwischt. Auch die großen Leitblätter der Computerbranche stehen vor dem Abgrund: die verkaufte Auflage der PC Welt ist binnen Jahresfrist von 375.158 auf 333.271 abgestürzt, bei der CHIP von 378.796 auf 354.355 und bei der ComputerBILD von 671.525 auf 637.620. Einzig die c’t konnte von 335.665 auf 342.649 zulegen, zuletzt ging’s aber auch hier bergab.

Bei der PC Welt, die von allen Leitmagazinen am heftigsten Federn lassen musste, versucht der neue Chef Harald Kuppek nun das Ruder herumzureißen:

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Immer mehr Wirtschaftsjournalisten nutzen soziale Medien – Fast jeder Dritte nutzt Facebook!

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Nach einer Umfrage von Dr. Döblin nutzen immer mehr Wirtschaftsjournalisten regelmäßig soziale Medien.

wirtschaftsjournalisten und soziale medien

Datenquelle: Dr. Döblin 2010

Den Rückgang der Nennungen von Weblogs interpretiert Dr. Döblin in Zusammenhang mit dem Aufkommen von Twitter: „Wir erklären uns den Rückgang mit dem Aufkommen von Twitter und der Fähigkeit dieses Dienstes, kurze Hinweise auf interessante Vorgänge oder Informationen schnell zu verbreiten. Weblogs vermögen dies auch zu leisten, aber das Handling ist doch ein wenig komplizierter als bei Twitter.“

Das halte ich für falsch. Eher schon sind die Zahlen für die Blog-Nutzung rückläufig, weil die Nutzung von RSS zunimmt. und Blogs werden sinnvoller Weise über RSS abonniert und tauchen dann vermutlich nicht mehr als eigenständige Medien auf.

Interessant ist sicherlich die relativ große Bedeutung, die Facebook erstmals bei Wirtschaftsjournalisten genießt. Schade, dass die Nutzung von XING und LinkedIn nciht abgefragt wurde. Auch dass mehr als jeder fünfte Wirtschaftsjournalist twittert – oder zumindest Twitteratis folgt – überrascht mich positiv. Gut so. Wer braucht da künftig eigentlich noch Pressetexte …

Bild hinterm Spiegel – Die Mediatenöre haben die meistzitierten Medien in Deutschland ausgezählt

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spiegelbild

14.872 Zitate aus dem ersten Halbjahr 2010 haben die fleißigen Zählmeister von Media Tenor ausgewertet und festgestellt:

Der SPIEGEL führt die Hitliste der meistzitierten deutschen Medien an – weit vor der BILD-Zeitung, BamS und der Süddeutschen Zeitung. Bei den Wirtschaftstiteln führt das Handelsblatt klar vor Wall Street Journal, Financial Times und Wirtschaftswoche. Neu unter den Top20 sind übrigens die Zeitungen WELT und Frankfurter Rundschau. Sie verdrängten die Berliner Zeitung und die Financial Times Deutschland (FTD). Besonders stark zugelegt haben F.A.Z., Süddeutsche, Welt am Sonntag und Frankfurter Rundschau. Am stärksten verloren haben BILD, Handelsblatt und New York Times.

Ausgewertet wurde, wie häufig die Journalisten von 40 meinungsführenden deutschen Medien andere Medien zitieren. Damit gibt das Ranking schon so etwas wie eine Rangfolge für journalistische Seriösität und Relevanz wieder.

Tipp: Wer wissen will, wie die Rzeczpospolita oder die Gazeta Wyborcza abschneiden sollte sich kostenlos bei den Media Tenören registrieren und deren wirklich nützlichen Newsletter abonnieren.

Sterbende Netze – ein Beitrag für die WELT KOMPAKT vom 1. Juli 2010

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weltkompakt scroll edition

Am 1. Juli 2010 erschien die WELT KOMPAKT, die „kleine Schwester“ der großen deutschen Tageszeitung Die Welt, als „Scroll Edition“, gemacht nicht von den Redakteuren der Zeitung, sondern von etwa 20 deutschen Bloggern. Als Mit-Autor des Czyslansky-Blogs war ich eingeladen mich an dieser Ausgabe zu beteiligen. Zur Rezeptionsgeschichte der Scroll Edition siehe den Beitrag auf Czyslansky und in der w&v. Auch wenn ich aus Termingründen an der Redaktionssitzung nicht teilnehmen konnte, so erschien doch – leicht gekürzt – mein Artikel zur Zukunft der sozialen Netzwerke in dieser Ausgabe. Im Folgenden dokumentiere ich das Rohmanuskript:

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