pr ohne pr

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na ja, eigentlich wollte ich über googles chrome ja nix mehr schreiben. die blogs der welt sind voll davon. und auch die medien. aber genau das ist das spannende thema. wie ist es google gelungen, für ein eher weniger spannendes produkt einen solchen hype zu erzeugen? olaf kolbrück hat das wunderbar zusammengefasst:

„Bemerkenswert ist […], dass der Buzz mit dem Posting eines einzelnen Bloggers in Deutschland begann und sich dann fortpflanzte. Philipp Lenssen bekam als erster – und zu früh – Post von Google. In der Post: Ein Comic-Buch mit Zeichnungen vom Scott McCloud, dass als erklärender Appetizer für den Browser fungiert. Lenssen schrieb darüber und die Medienlawine rollte an, bis ins Tal der klassischen Medien hinein.“

während olaf kolbrück allerdings meint, google habe versehentlich den blogger zu früh und exklusiv informiert, liegt die vermutung nahe, dass dies genau die strategie bei google war: gib einem blogger exklusiv was in die hand, gib ihm dann noch das gefühl, er trage ein geheimnis in seinem herzen, dann kannst du sicher sein, dass er aufgeregt und schnell darüber bloggt. und ebenso sicher kannst du sein, dass sich jeder blogger und ein wenig später auch jeder journalist so schnell wie möglich an den einmal gestarteten zug dranhängt. dabei schreibt jeder unter massivem zeitdruck. man setzt sich nicht mehr gross mit dem produkt oder der nachricht auseinander, denn blogging lebt primär von der schnelligkeit, weniger von der gründlichkeit. die schnelle meinung ist gefragt. das funktioniert natürlich besonders gut, wenn zum zeitpunkt, da die lawine anrollt, das produkt noch gar nicht für einen test verfügbar ist.

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Nicht-Veröffentlichungs-Vereinbarung für Journalisten – ein Widerspruch!?

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Eine heiß geführte Diskussion zu Vertraulichkeitsvereinbarungen, bei angelsächsischen Öffentlichkeitsarbeitern auch Non-Disclosure-Agreement, kurz EnnDiehÄih (NDA), genannt, ist gestern in dieser Agentur entbrannt. Demnach ergibt sich heute folgender Diskussionsstand:

  • Im Zeitalter der globalen Echtzeit-Kommunikation, die nicht nur von Journalisten bestimmt wird, hat ein NDA nur begrenzten Wert. Wenn z.B. ein anonymer russischer Blogger Gerüchte veröffentlicht, ist das NDA gefährdet, da unter NDA stehende Journalisten immer auf diese öffentliche Quelle verweisen können.  Die Quelle selbst lässt sich dabei juristisch nicht verfolgen.
  • Bei dem zunehmenden Konkurrenzdruck zwischen den Medien und zwischen Medien und anderen Quellen wie Blogs oder Foren, besteht die Gefahr, dass das Risiko wegen eines nicht eingehaltenen NDAs verfolgt zu werden, geringer eingeschätzt wird, als der Vorteil durch die frühzeitige Veröffentlichung.
  • Langjährige unabhängige Beobachter von Unternehmen können sich meistens aus offiziellen Unternehmensmitteilungen, Gerüchten und Markteinschätzungen zusammenreimen, welches Thema unter NDA steht. Spekulationen sind nur schwer zu verbieten.
  • Ein NDA greift und lässt sich offenbar juristisch auch durchsetzen.

In  der Praxis stellen sich mir jedoch einige Fragen bzw. sollten vor dem Griff zum NDA einige Fragen geklärt werden:

  • Warum ist das NDA überhaupt notwendig? Journalisten sollten doch eigentlich berichten und nicht nicht-berichten.
  • Muss es ein NDA sein oder reicht eine Sperrfrist bis zum gewünschten Veröffentlichungszeitpunkt? (Auch hier ist zu beachten, dass der Konkurrenzdruck, s.o., möglicherweise dafür sorgt, dass die Sperrfrist nicht eingehalten wird.)
  • Wurde der unter NDA gesetzte Sachverhalt oder das Produkt möglicherweise schon anderen Zielgruppen vorgestellt? Wenn ja, ist zu prüfen, ob dort auch eine strenge Geheimhaltungsvereinbarung angewendet wurde. Häufig passiert es, dass z.B. Vertriebspartner über neue Produkte informiert werden, ohne unter NDA zu stehen. Das NDA für Journalisten wäre damit wirkungslos, wenn sie sich wieder auf eine öffentlich zugängliche Quelle, z.B. ein Partner-Interview stützen können.
  • Sind Journalisten überhaupt die richtige Zielgruppe für das NDA? Wenn sie sowieso nicht veröffentlich sollen, brauchen sie dann die Infos überhaupt?
  • Warum lässt man für manche Aktionen ein NDA unterschreiben (Produktpräsentation vor einer Gruppe) für andere (informelles Hintergrundgespräch mit dem Geschäftsführer) nicht?

Abschließend plädiere ich vor diesem Hintergrund dafür, ein NDA so zurückhaltend wie möglich einzusetzen und die Laufzeit auf so kurz wie unbedingt notwendig zu beschränken. Es mag Situationen geben, wo man für einige Tage Detail-Informationen bis zu einer zentralen, globalen Produktvorstellung zurückhalten will oder einem Journalisten vor Redaktionsschluss Informationen für die nächste Ausgabe mitteilen will. Alles andere ist aber eine Zumutung für Journalisten und Öffentlichkeitsarbeiter, die fürchten müssen, wegen eines „Lecks“ belangt zu werden – und das, obwohl ihr Auftrag eigentlich die Öffentlichkeit und nicht die Nicht-Öffentlichkeit ist.

Ein paar Links dazu zum Schluss noch:

  • Schöne Kommentare auf ein Blogpost von Thomas Knüwer, der an dem Sinn der Sperrfristen zweifelt.
  • Interessanter Aspekt aus der Computerspiele-PR, wo Hersteller offensichtlich versuchen, bestimmte Informationen per NDA von der Berichterstattung auszunehmen. (Mit Strg+“+“ lässt sich übrigens ddie Darstellungsgröße der Schrift beim IE und FF vergrößern.) Dies Beispiel zeigt auch deutlich, dass der allzu umfassende Umgang mit NDAs zu negativer PR führen kann.
  • „Don‘ trust bloggers“ darf nicht das Ergebnis der Diskussion sein, wenn es um die Einbindung von Bloggern in die PR geht. Ausführliche Überlegungen dazu auf Englisch hier.
  • Schönes Beispiel für ein NDA von einem vielen (noch) sympathischen Unternehmen. Google stellt sein NDA, das angeblich alle Besucher unterschreiben müssen, natürlich nicht öffentlich zur Verfügung, deshalb hier eine unautorisierte Version. Es wird sogar spekuliert, dass der Inhalt des NDAs unter NDA steht (das gilt allerdings für Mitarbeiter NDAs):

Google Mitarbeiter werden wahnsinnig, wenn sie ihr Non Disclosure Agreement nochmal durchlesen und realisieren, was sie sagen dürfen, nicht sagen dürfen und nicht sagen dürfen, was sie nicht sagen dürfen. (…)