vibrio30 – Folge 1: Fast 30 Jahre Weberei
Ende diesen Jahres wird die Agentur vibrio 30 Jahre alt. Deshalb will ich in den kommenden Wochen und Monaten unter dem Hashtag #vibrio30 ein bisschen Rückschau halten auf 30 spannende und zum Teil verwegen irrwitzige Jahre, auf unsere Kunden, auf unsere Feste, auf unsere Büros, auf die Entwicklung unserer Strategie, auf Erfolge und – ja auch – auf manche Dinge, die nicht so gelaufen sind, wie ich mir das mal gedacht habe.
Und anfangen will ich heute mit vielen bunten Bildern, weil die Welt zur Zeit alles andere als bunt ist, sondern eher schrecklich düster und dunkel. Denn eigentlich sind wir eine der ältesten Webereien unter den deutschen PR-Agenturen.
vibrio – „wie in Stein gehauen“
1995 waren wir eine der allerersten PR-Agenturen mit einer eigenen Homepage im Internet. Das war wenig überraschend, zählten doch zahlreiche Internet-Pioniere zu unseren frühen Kunden, allen voran sicherlich Netscape mit seinem Browser Navigator. Ein Exemplar davon habe ich heute noch in meinem Regal stehen, original verpackt.
Der Fachinformationsdienst kress nannte unseren Web-Auftritt „wie in Stein gehauen“ und hatte wohl recht:
Wir nutzten nicht zufällig einen Typewriter-Font als Schrift, wollten wir doch ganz bewusst eine Anmutung wie ein gedrucktes Medium schaffen. Denn: Seriös war, was raschelt. Das galt damals noch. Die meisten Internet-Seiten waren bunt und leuchteten wie die Werbetafeln auf dem Piccadilly Circus. Das war nicht unsere Welt, auch wenn wir als B2B-Agentur schon immer auch ein wenig „aus der Rolle“ zu fallen wussten.
Unsere Leitfarbe war ein kühles Grün, das ein wenig an das Grün US-amerikanischer Detektivbüros angelehnt war. Im Web kam das nicht so gut rüber, aber ich rauchte nun mal schon damals gerne schwere Zigarren, trank gerne handwarmen Whisky (aber ohne „e“) und trug meistens Hut und damals noch bunte Hosenträger. Ey, so waren die Zeiten …
Unser erstes Web-Design hielt so ungefähr bis zur Jahrtausendwende. Wer mal durch unsere ersten Seiten blättern möchte, bitteschön:
Sogar unsere Preisliste haben wir damals online veröffentlicht. Wir setzten sehr auf Transparenz. Ziemlich ungewöhnlich …
Ende 1999 gönnten wir uns dann nicht nur einen neuen Claim, sondern auch einen neuen Web-Auftritt. Jetzt wollten wir „punkt. genau. kommunizieren“. Zu dem blauen Punkt, den wir bereits etabliert hatten, kam ein zweiter roter Punkt hinzu: die „welt der werbung“, eine klassische Werbeagentur und bald darauf noch ein dritter grüner Punkt „vibrio interactive“ als neue Interactive-Agentur. So waren wir plötzlich ein eigenes kleines Netzwerk und das sollte sich auf unserer neuen Website widerspiegeln:
Auch hier konnte ich über die wunderbare Wayback Machine einige alte Seiten ausgraben:
Das Penatenzeitalter
Eine lange Haltbarkeit war diesem Design nicht beschieden. Überhaupt waren die sogenannten „Nuller Jahre“ eine unruhige Zeit für vibrio. Nachdem wir schon viele Jahre für einige Teilbereiche von Microsoft gearbeitet hatten, haben wir im Jahr 2000 die gesamte Öffentlichkeitsarbeit für den Softwaregiganten in Deutschland übernommen. Dass uns dabei noch Zeit für die Entwicklung eines neuen Corporate Designs blieb, erstaunt mich nachträglich noch immer.
2002 aber war es soweit: Wir starteten unser „Penaten-Zeitalter“:
Zum ersten Mal hatten wir uns für ein – damals modernes – frame-basiertes Design entschieden. Frames waren damals der letzte Schrei, aber für eine mobile Umsetzung alles andere als handlich. Aber noch lag der Anteil mobiler Zugriffe im unteren einstelligen Bereich. Der Content und eine klare Benutzerführung standen im Fokus. Das kam auch durchweg gut an. Auch im kress, der uns freundlich beschied: „Staubtrocken präsentiert sich die PR-Agentur Vibrio im World Wide Web. Beim neuen Online-Auftritt steht ganz klar der Nutzer im Vordergrund, deswegen gibt`s unter www.vibrio.de keinen überflüssigen Ballast oder gar technischen Schnickschnack. Sieht aber trotzdem ganz nett aus. Zudem ist die Navigation einfach und übersichtlich.“
Nur eine rosa-farbene Seite für Mädchen gab es nicht. Ansonsten haben wir dieses Design über zehn Jahre Schritt für Schritt und ganz vorsichtig weiterentwickelt und unser Online-Angebot langsam ausgebaut:
2004 gab es einen Terminkalender und Jobangebote:
Ab 2008 haben wir dann einen Online-Ticker, die vibLounge und vor allem unser neues Blog in die Homepage integriert:
2010 kamen dann die zahlreichen Social-Media-Kanäle hinzu:
Viele der damals bespielten Kanäle gibt es heute gar nicht mehr. Scribd war damals noch für User kostenlos und wir veröffentlichten dort Vorträge und Broschüren, genauso wie auf Slideshare, das lange Jahre zu LinkedIn gehöre und heute ein Teil von Scribd ist. Meine diversen Vorträge wurden auf Slideshare bis heute mehr als 200.000 aufgerufen und obwohl ich diesen Kanal seit Jahren nicht mehr nutze, verzeichnen meine Vorträge dort Monat für Monat noch durchschnittlich 1.500 Aufrufe. Slideshare war lange Jahre mein absolutes Lieblingsnetzwerk. FlickR spielt heute in der B2B-Kommunikation auch keine Rolle mehr. Andererseits verzichteten wir damals noch auf Links zu LinkedIn und Xing. Der Markt hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Aber gut: Wir haben uns angepasst. Logisch.
Ab 2011 integrierten wir auch das Archiv der ersten Ausgaben unseres Newsletters:
Ein Kessel Buntes
Im Jahr 2012, also nach genau zehn Jahren war Schluss mit Penaten. vibrio trieb es bunt. Was nun kam, war für manche gar zu bunt. Jedenfalls war es eine Revolution, die manche so geschockt zurück lies wie damals Bob Dylan, als er zur Elektrischen griff. „All along the watchtower.“ Jedenfalls kam ich mir in den Monaten nach dem Relaunch der Website vor wie Bob auf dem Newport Folk Festival 1965. Hui, hab ich Prügel bezogen.
Dabei war unser 2012er Design ein Rückgriff auf ein 40 Jahre altes Design. Die neue vibrio Website von 2012 zitierte ziemlich unverhohlen das Corporate Design der Olympischen Spiele von 1972 und damit eine unsterbliche Design-Ikone. Ich hatte mich über mehrere Monate hinweg intensiv mit den Entwürfen von Otl Aicher und seinem Dept. XI auseinandergesetzt. Und ich war und bin ein großer Otl-Aicher-Fan.
Das Farbraster der Olympischen Spiele 1972 wurde zur zentralen Vorlage für das Farbraster der neuen vibrio:
Die Farben von München 1972 verzichten auf alle aggressiven und totalitären Farben: Es gibt kein Rot, aber auch kein Gold, kein Schwarz und kein Weiß. Es gibt nur freundliche Farbtöne. Genauso will vibrio sein. Und so trat vibrio 2012 ins Web:
Ich hatte sogar versucht, Rechte an den berühmten Piktogrammen von 1972 zu erhalten. Das wäre aber einfach zu aufwendig und zu teuer geworden. Also haben wir unsere eigene Ikonografie entworfen. Damals entstand auch das noch heute gültige orange „v“, das Emblem der Agentur vibrio. Und ein bisschen steht das „v“ ja auch für victory, aber nur ein ganz klein bisschen … Außerdem wurde mir das „v“ damals bei einer Kundenpräsentation abgeschossen. Bei einer großen Messe, deren Name auch mit „v“ anfängt, und die damals ein Kommunikationskonzept ausgeschrieben hatte. Ich hatte den Pitch verloren und mein Agentur-Signet gefunden. Die Messe gibt es übrigens nicht mehr, die Agentur schon noch. So geht das manches Mal.
In der Kopfleiste taucht neben dem Riesenrad für unsere Wiener Niederlassung und den charakteristischen Doppeltürmen der Züricher Grossmunster-Kirche für unser Büro in Zürich das Olympiagelände für unsere Münchner Agenturzentrale auf. Die Seitengestaltung greift das damals moderne Kacheldesign von Microsoft Windows auf. Eigentlich dachte ich, dass sich dieses Windows-Design dank der Marktmacht von Microsoft durchsetzen wird. Ich war begeisterter User eines Windows-Smartphones und von den ergonomischen Vorteilen dieses Konzept absolut überzeugt. Auch wir spielten mit unserer Website mit solchen interaktiven Flächen. Nur hat sich Microsoft leider nicht durchgesetzt, weder bei den Smartphones noch mit der damaligen Windows-Ergonomie.
Drei Jahre haben wir an den Kacheln festgehalten. Dann, 2016, haben wir aufgegeben. Aber die Farben haben wir nicht preisgegeben. Unseren Otl halten wir in Ehren. Und so gab es 2016 ein eher halbherziges Redesign unseres Web-Auftritts:
Das war nun ein typischer „Longpager“. Ich mag solche Seiten, wo man sich zu Tode scrollt, eigentlich gar nicht. Aber sie galten – und gelten heute mehr denn je – als chic. Und wenn man viel Inhalt hat, dann ist das nun mal eine Alternative. Und wir haben viel Inhalt. Ich glaube ja auch an Inhalte. Dafür machen wir das ja alles. Und Inhalte sind auch wichtig für Google und für den ganzen SEO-Kram. Und SEO-technisch haben unsere Web-Seiten immer sehr gut funktioniert. Deshalb lege ich mich immer mit meinen Kunden an, die meinen, ihre Website bräuchte weniger Text und „Weissraum, wir brauchen mehr Weissraum“. Wer soll das alles scrollen?
Kleine Anmerkung zum Screenshot von oben: Leider findet unser Webgrabber einige Inhalte von damals nicht und so gibt es hier einige Leerstellen im Screen. Das sah 2016 natürlich nicht so aus. Schon klar, oder?
Jedenfalls war diese Long-Page-Lösung nur eine Übergangslösung. Zum Glück. Im Jahr 2018 gab es dann wieder ein großes Redesign, das unsere Farbenlehre auf ein modernes stark visuell geprägtes Grundgerüst transponierte:
Das ist unser Web-Auftritt, wie wir ihn heute alle kennen. Man scrollt, aber nicht so dolle wie noch 2018. Freilich gab es auch hier in den vergangenen vier Jahren einige Anpassungen und Aktualisierungen. So haben wir zum Beispiel die Homepage im Jahr 2020 um unsere Positionierung als Inbound-Marketing-Agentur ergänzt:
Und ein neues Online-Pressezentrum haben wir inzwischen auch integriert.
Die vibrio Blog-Hütte
All die Veränderungen, die unsere Website seit 2008 durchgemacht hat, erlebte natürlich auch unsere Bloghütte in Form regelmäßiger Tapetenwechsel: Es gab die blaue Penatenphase mit einer verspielten Dampflok – von wegen „Dampf-Blog“ -, die Olympia-Phase im abgeschwächten Microsoft-Kacheldesign und schließlich die heutige Lösung:
Ich sehe keinen Grund das Design von Website oder Blog in nächster Zeit grundlegend zu ändern. Ich finde nach wie vor das Farbsystem sympathisch, die Typographie sehr gut lesbar und modern, die Benutzerführung vorbildlich und Web und Blog funktionieren auch auf mobilen Endgeräten ordentlich. Der Anteil mobiler Zugriffe liegt heute bei über 50 Prozent. Natürlich ist vieles eine Geschmacksfrage und im Detail kann man immer Dinge optimieren. Aber unser Fokus wird in den kommenden Monaten auf den Inhalten liegen: Wir wollen nützliche Inhalte liefern und wir strengen uns an, dass diese Inhalte im Dschungel des Internets gut auffindbar sind. Schlechten Content in hübschen Kleidern gibt es schon genug.
Für Verbesserungsvorschläge aber habe ich immer ein offenes Ohr. Und für konstruktive Kritik nehme ich mir gerne Zeit. Versprochen. Weil: Ich mag das Internet. Nicht erst seit 1995.
Übrigens weiß ich noch nicht genau, mit welchem Beitrag ich die Reihe #vibrio30 fortsetzen werde. Das hängt ein wenig vom Lustprinzip ab. Grundsätzlich stehen auf meinem digitalen Merkblatt:
- 30 Jahre Kundendienst
- UnFASSbar zwischen Single Malt und Big Smoke
- Die unendliche Geschichte
- Die Messdiener nicht nur auf CeBIT und SYSTEMS
- Zwischen Home und Office
- Mit vibrio Schlitten fahren
- Leuchttürme und ihre Wärter*innen
Na, mir wird schon was einfallen.
…und ich hab‘ sie alle „live“ gesehen. Herzlichen Glückwunsch zum baldigen 30er, Mik. Solange bin ich schon in München, solange schon in der „IT“… Ein wenig erschreckend, aber grundsätzlich nie bereut!
Durch einen Kommentar von Rainer Maassen auf LinkedIn bin ich heute darauf gestoßen, wie weit meine Online-Erfahrungen tatsächlich zurück reichen. Ich erinnere mich, dass ich als Student einen Job an der Münchner Uni hatte und im Keller der LMU den beiden Kabarettisten Bruno Jonas und Jockel Tschiersch was über Bildschirmtext für ein neues Programm erzählt habe. Schöne neue Welt um 1984 herum. Ich war also schon online weit vor dem WWW ;-).
Glückwunsch von einem „älteren Herren“
Grüße Michael Karaman