Lachende Fliegen und kippelnde Beine. Zum Ende der täglichen gedruckten taz.

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Am Freitag ist es also soweit: Es erscheint die letzte. Die allerletzte. Ich meine: Am Freitag erscheint die wirklich allerallerletzte gedruckte Unterderwocheausgabe der taz. Ab sofort ist die taz eine woz. Also die „tageszeitung“ ist künftig eine Wochenzeitung. Und ich bin der festen Überzeugung, dass die taz damit den anderen Tageszeitungen einmal mehr ein Vorbild sein wird. Sie ist der Schrittmacher, der Wegweiser der Zeitungslandschaft. Der Grabweiser.  Bald wird auch meine geliebte „Süddeutsche“ den Weg aller Tagesmedien gehen: ab in die Grube, ab in die Reihe der Wochenpostillen.

Schuld bin ich selbst. Anders gesagt: Schuld sind wir, die Onliner, die Online-Leser*innen, die Sozialmedianer, die Blogger und Konsorten. Dabei habe ich all die Jahre meinen Tageszeitungen die Zeitungsstange gehalten. Aber ich weine ihnen nach, wenn sie verschwinden, weil keiner mehr in ihnen inseriert. Und immer weniger die hohen Abo-Preise zahlen will. Der taz habe ich schon vor ein paar Wochen einen Nachruf auf meinem Czyslansky-Blog – ja, als Blogger bin ich auch einer der Totengräber der Tagesmedien – geschrieben. Ich will ihn zum Todestag der kleinen feinen Berliner tageszeitung heute zitieren:

Die Setzmaschine einer guten alten Tageszeitung, der New York Times (19. Jahrhundert)

„Ach was waren das für Zeiten, als es noch keine KI gab. Das waren Zeiten, als man mit einer einfachen Zeitung noch fast alle Probleme lösen konnte: Man konnte lästige Fliegen erschlagen und zur Not auch mal einen kippelnden Tisch stabilisieren. Aber die Zeiten der Zeitung scheinen langsam vorbei zu sein. Jedenfalls der Zeitung, so wie ich sie kenne und liebe; also der raschelnden Tageszeitung aus Papier, aus toten Bäumen. Das Lesen der Morgenzeitung am Frühstückstisch ist für mich seit Kindheitstagen tägliches Ritual. In meiner Kindheit ging es nur um den Sportteil, den ich erbittert gegen meinen Vater erkämpfen musste. Recht schnell aber erwachte auch das Interesse an den Büchern für Politik und Lokales, am Feuilleton und schließlich am Wirtschaftsteil.

Mit 19 Jahren bin ich aus meinem Elternhaus ausgezogen und eine meiner ersten Investitionen war der Abschluss eines eigenen Abonnements einer Tageszeitung. Während des Studiums kam eine zweite Zeitung dazu, neben der Süddeutschen Zeitung – der ich bis heute treu geblieben bin – bezog ich von der ersten bis zur letzten Ausgabe „Die Neue“ als zweites Blatt. „Die Neue“ war zeitgleich mit der taz als Alternativprojekt in Berlin gegründet worden, hielt sich aber leider nicht lange auf dem Markt. Sie erschien von 1978 bis 1982. Auf meinem Dachboden steht ein Karton mit sämtlichen Ausgaben. Nach ihrem Niedergang kaufte ich dann unregelmäßig noch die taz oder die Frankfurter Rundschau, las in Kaffeehäusern und im Urlaub gerne auch mal ausländische Zeitungen, vor allem die New York Times, Le Monde oder Libération.

Seit einigen Jahren beobachte ich mit großer Sorge den Niedergang der Tagespresse. Meine geliebte SZ hat jüngst die Lokalberichterstattung aus dem Münchner Umland in ihrer Druckausgabe weitgehend eingestellt. Die Frankfurter Rundschau ist seit Jahren nur noch ein Schatten früherer Tage.

Die Tageszeitungen stehen enorm im Wettbewerbsdruck elektronischer Medien und konzentrieren sich mehr und mehr auf ergänzende Hintergrundberichterstattung. Das Aktuelle überlassen sie zunehmend den elektronischen und Online-Medien. Es ist abzusehen, dass sich die meisten Tageszeitungen irgendwann in Wochenzeitungen verwandeln. Die taz geht diesen Schritt nun. Am 17. Oktober 2025 stellt sie das Drucken an Werktagen ein. Damit geht eine lange Geschichte zu Ende. Am 17. April 1979 erschien die taz erstmals mit einer täglichen Print-Ausgabe. Damals war die Herausgabe der tageszeitung eine kleine Revolution. Der Zeitungsmarkt wurde aufgemischt. In Berlin gab es plötzlich Alternativen zur Springer-Presse. Die taz und „Die Neue“ erprobten neue publizistische Formate. Unvergessen die Kommentare der „Säzzer“, die streitbaren parteilichen und kontroversen Debatten, die in der taz geführt wurden (und werden). Das raschelte mächtig neben dem Frühstücksei.“


Nun gibt es sie also nur noch als gedruckte Wochenzeitung plus als elektronisches aktuelles Medium. Irgendwann werden auch SZ, FAZ, WELT und all die anderen folgen. Die Zeit der gedruckten Tageszeitungen geht zu Ende. Fliegen haben dann gut lachen, kippelnde Tischbeine müssen wohl mit Bierfilzen stabilisiert werden. Womit ich am Anfang meiner Geschichte angekommen wäre: „Lachende Fliegen und kippelnde Beine.“

„Der Begriff „lachende Fliegen“ ist mehrdeutig. Es könnte sich auf einen Ort namens Lachen-Speyerdorf beziehen, wo Segelflugmeisterschaften stattfinden. Alternativ könnte es auch ein Ausdruck für Erlebnisflüge am Flughafen Wangen-Lachen sein, bei denen man das Gefühl hat, zu lachen, während man fliegt.“ Das meint die KI zum Stichwort „lachende Fliegen“. Völliger Blödsinn? Völliger Blödsinn!

Auf die Frage „Was kann ich tun, wenn mein Tisch wackelt“ antwortet die KI: „Ein wackelnder Tisch kann oft mit einfachen Mitteln stabilisiert werden. Zuerst sollte man prüfen, ob alle Schrauben fest sitzen. Wenn der Tisch höhenverstellbare Beine hat, kann man diese anpassen, um eine ebene Fläche zu erreichen.“ Sitzen bei Ihnen noch alle Schrauben fest?

Lachende Fliegen, kippelnde Beine und keine taz weit und breit. Ab nächster Woche wird mir etwas fehlen. Ich will gar nicht daran denken …

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