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Is ja nur ne Phase

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Eine junge Frau sitzt auf einem Sofa, beugt sich nach vorne und lacht.

Zum Tag für Gesundheit am Arbeitsplatz: Kein Job der Welt darf die Lebensfreude fressen

Ich war jung, kam frisch von der Uni und habe mein Volontariat in einer PR-Agentur begonnen. Das kleine Team war klasse – bis auf eine Kollegin. Sie konnte mich nicht leiden. Warum auch immer. Das hat mich krank gemacht ohne, dass ich es bewusst bemerkt habe. Tagsüber war alles gut. Die psychische Belastung äußerte sich nachts. Jede Nacht wachte ich wortwörtlich schweißgebadet auf. Den Zusammenhang zwischen dieser Symptomatik und der Ursache „psychische Belastung“ stellte erst meine Hausärztin her. Ihre Empfehlung: Urlaub machen und gucken, ob sich was ändert. Es änderte sich alles. Damit war klar: Du musst hier weg.


Die eigene Gesundheit über alles zu stellen, das sagt sich so leicht

Die Entscheidung war nicht einfach. Als Berufseinsteiger eben mal so den Ausbilder zu verlassen mit einer ungewissen Zukunft in die Arbeitslosigkeit zu fallen, das ist eine krasse, eine beängstigende Situation für einen jungen Menschen. Arbeitslosigkeit und Neuorientierung im Job, das wage ich einfach mal zu behaupten, sind in jedem Lebensalter eine Belastung. Das Selbstwertgefühl leidet in beruflichen Schwebezuständen. Gebraucht zu werden, stärkt das Ego, gibt die Kraft, morgens trällernd den Job zu beginnen und den Arbeitstag zufrieden zu beenden. Anerkennung und ein respektvoller Umgang miteinander, können selbst die dümmsten Aufgaben oder einen halben Meter Jobliste nivellieren. Meine Erfahrung.


Die Seele erkrankt stieckum


Zwischen dem Morgen und dem Abend eines Arbeitstages können Tretminen liegen. Je nach individueller Nervenstärke und Dicke des Fells, je nach privater Lebenssituation oder je nach Position in der Hierarchie sind es unendlich viele oder null. Die psychische Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist ein hohes Gut und dennoch nicht annähernd so kontrollier- und regelbar wie der Schutz der körperlichen Gesundheit. Zu heiße Hallen lassen sich kühlen, Intrigen aber kaum erspüren. Das ist die Krux an der Prävention von Burnouts. Der Prozess des Ausbrennens ist ein schleichender. Klammheimlich und unerkannt wie ein Wurm im Erdreich frisst sich die Depression in die Seele, zernagt und zersetzt positive Gefühle wie verrotendes Laub. Mindestens ebenso lang wie sich die Krankheit aufbaut, dauert die Heilung. Viele Jahre. Je später die Betroffenen Hilfe suchen, umso länger dauert es. Die meisten Patienten begeben sich viel zu spät in Behandlung, meistens erst dann, wenn gar nichts mehr geht. Die totale Handlungsunfähigkeit bis hin zu suizidalen Gedanken sind die Spitze des Eisbergs, der für viele leider erst dann erkennbar aus dem Wasser ragt.


„Hab‘ nur grad ne schlechte Phase“


Warum nur immer zu spät? Auf die physiologische Ebene übertragen wäre es das Gleiche, als würde man sich einen rostigen Nagel in den Fuß treten, aber erst beim Anzeichen einer Blutvergiftung zum Arzt gehen. Die Verschleppung hat einen Grund: Die Betroffenen merken es selbst nicht. „Wird schon wieder“ oder „das geht vorbei“ sind typische Gedanken der Verdrängung. Die Mehrheit der Menschen ist mit psychischen Erkrankungen nicht vertraut. Bricht sich eine Mitarbeiterin den Arm und kann weder telefonieren noch tippen, weiß sie und jeder andere: Sie ist krank, arbeitsunfähig. Kommt sie aber bedrückt an den Schreibtisch, redet kaum noch, braucht viel zu lange, um selbst Routinejobs zu erledigen, verheddert sich, macht mehr und mehr Fehler und zieht sich aus sozialen Interaktionen zurück, kommt nicht zur Kaffeepause – stehen die Kolleginnen und Kollegen leider mit vielen gut gemeinten Aufmunterungen parat. Die helfen aber nicht. Nur ein Arztbesuch.


Viel Arbeit ist kein Stress


Der Unterschied zwischen viel zu tun und Stress ist riesig. Stress ist eine giftige Mischung aus Druck, Angst und Einsamkeit. Ich möchte nicht behaupten, dass sich das Stresslevel von aufmerksamen Mitarbeitenden und Vorgesetzten nicht regulieren ließe. Das ist möglich. Wie genau, das hat sich die BGF-Koordinierungsstelle zur Aufgabe gemacht. Die BGF-Stelle ist eine gemeinsame Initiative der gesetzlichen Krankenversicherungen. Sie bietet seit Mai 2017 nicht nur Informationen zur betrieblichen Gesundheitsfürsorge, sondern unterstützt vor allem kleine und mittlere Unternehmen bei der praktischen Prävention und beim konkreten Umgang mit psychischen Erkrankungen. Denn die Voraussetzung, die Erkrankung von Mitarbeitenden zu verhindern, ist, dass Stresssymptome, Burnouts oder Depression überhaupt erkannt werden.

Führungskräfte, die selbst bis zum Hals im operativen Geschäft stecken, merken gar nichts. Sie bemerken die miserable Stimmung nicht, die Dienst-nach-Vorschrift-Mentalität nicht und schon gar nicht überforderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.


Auch die Führungskräfte, die um ihren eigenen Status ringen und sich behaupten wollen oder müssen, haben weder Aug noch Ohr für die psychischen Verfassungen in ihrem Team – zumal ausgebrannte Mitarbeitende sehr, sehr leise werden. Setzt sich der Egozentrismus von Vorgesetzten in der Hierarchieebene bis ganz nach oben fort, braucht man nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, welch desaströse Folgen unerkannte Stresslagen für das Business haben können.

Stabile Führungskräfte sind das A und O


Die Faktoren, die die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz beschädigen, sind hinlänglich bekannt und erforscht. Sie sind technisch nicht messbar. Erkannt werden die Symptome nur von Menschen, seien es Vorgesetzte oder Kolleginnen und Kollegen, wenn sie denn die Anzeichen zu deuten vermögen.
Was kann eine Firma tun, um für die psychische Gesundheit seiner Mitarbeitenden Sorge zu tragen? Aufklärung hilft. Workshops, Seminare oder Kurse zum Thema Zeit- und Jobmanagement für alle Mitarbeitenden sind eine gute, günstige und einfache Möglichkeit, um für eine langfristige Stress-Prävention zu sorgen. In diesem Zusammenhang sollten sie auch die typischen Anzeichen einer beginnenden Depression kennenlernen. Dann haben sie die Chance, zwischen „viel Arbeit“ und „Stress“ unterscheiden zu können. Führungskräfte sind übrigens durch den Leistungs- und Behauptungsdruck häufiger als Mitarbeitende vom Burnout gefährdet. Doch ihre stabile, gute psychische Gesundheit ist die Basis für die Gesundheit am Arbeitsplatz aller Mitarbeitenden. Entsprechende Managementseminare sind also das A und O für ein gesundes Unternehmen.

Hintergrund: Anlaufstellen, Studien und Daten zur psychischen Gesundheit

Hilfsangebote für Unternehmen, speziell für kleine und mittlere Firmen, bietet die BGF-Koordinierungsstelle, wenn es um die praktische Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung geht. Unter https://www.bgf-koordinierungsstelle.de/ erhalten Interessierte umfassende Informationen und Unterstützung. Die BGF-Koordinierungsstelle ist seit 2017 eine gemeinsame Initiative der gesetzlichen Krankenkassen.

Eine Umfrage der Techniker Krankenkasse vom Januar 2023 zur Frage, ob und warum Mitarbeitende auch krank und trotz Krankschreibung arbeiten.

Die TK-Stressstudie vom November 2021 steht als PDF hier zum Download zur Verfügung. Die wohl beste nicht-wissenschaftliche Zusammenfassung zum Thema Stressfaktoren und -bewältigung.  

Die Studie der Techniker Krankenkasse vom November 2021 zu den negativen Effekten von langen Anfahrtswegen zum Arbeitsplatz.

Die Studie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung DGUV zu den negativen Effekten von Homeoffice vom November 2021.

Die Umfrage von Statista und YouGov vom Juni 2020 zu den positiven Effekten vom Homeoffice.