Was sich Journalisten wünschen

DIGITAL FUTUREcongress 2020

Was erwarten Journalisten* von der PR? Antworten erhalten PR-Experten zwar jeden Tag direkt von freien Journalisten und Redakteuren. Doch große Umfragen unter den Medienschaffenden sind immer ein interessanter zusätzlicher Gradmesser. Wo steht die Pressearbeit? Was hat sich an den Anforderungen, den Recherchequellen und den Arbeitsbedingungen geändert? Cision ist ein internationaler PR-Dienstleister. Er hat vor kurzem die weltweite Umfrage „2022 State oft the Media Report – Fokus Deutschland“ veröffentlicht. Ich habe mir die wichtigsten Ergebnisse für den deutschen Markt herausgepickt und für unsere praktische PR-Arbeit eingeordnet.

(*Zur einfacheren Lesbarkeit habe ich auf das Gendern verzichtet. Es sind stets gleichberechtigt alle Geschlechter m/w/d eingeschlossen.)

Das Studien-Design

Die Umfrage wurde von Januar bis Februar 2022 durchgeführt. Angeschrieben wurden die Mitglieder der Cision Mediendatenbank. In Deutschland haben 606 Medienschaffende teilgenommen. Bei der Zusammensetzung der Medienformate lag der Schwerpunkt auf den gedruckten Medien: 55,3 Prozent aus Print-Medien, 25,8 Prozent aus Online-Medien, 13,2 Prozent kamen von TV, Radio und Podcast.
Für mich wäre eine zusätzliche Ausweisung der Themenschwerpunkte interessant gewesen zum Beispiel nach Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Technologie oder Wissenschaft. Zudem sind in der Praxis bei vielen Medien Print und Online nicht mehr getrennt, sondern eine Einheit. Nur sehr reichweitenstarke Publikationen beschäftigen voneinander unabhängige Redaktionen für Print und Online. Deshalb ergibt die Trennung zwischen Print und Online keinen großen Sinn.

Wie glaubwürdig sind Medien?

Die Medienskandale der Vergangenheit sind auch an Journalisten nicht spurlos vorübergegangen. 65,9 Prozent sind der Meinung, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien habe abgenommen. Das sind 11,4 Prozent mehr als im Jahr 2021. Welche Ursachen könnte diese kritische Selbsteinschätzung haben? Vier Jahre lang höhlte die tägliche diffamierende Anti-Medien-Propaganda unter „Fake Media“ und „Fake News“ seriösen Journalismus aus. In Deutschland schleppte die rechtsextreme Szene das diskreditierende Schlagwort „Lügenpresse“ wieder in den Sprachgebrauch ein und flutete damit die sozialen Medien.

Mehr Journalisten als 2021 meinen, die Öffentlichkeit vertraue ihnen nicht.

Wie wichtig sind korrekte Inhalte?

Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass Rezipienten ihre Berichte skeptisch sehen. Wie beeinflusst das die Arbeit der Journalisten? Zu meinem Erstaunen hat sich das nicht in einer größeren Betonung von Fakten und nachweislichen Recherchequellen niedergeschlagen.


Nur 71,1 Prozent sagen, dass dem Medium, für das sie arbeiten, die „Gewährleistung und Richtigkeit von Inhalten“ am wichtigsten ist.

Damit ist die Rate gegenüber der Umfrage aus dem Jahr 2021 von 76,9 Prozent weiter gesunken. Für rund 30 Prozent der Medien ist die Richtigkeit von Inhalten nicht wichtig. Wie kann das angehen? Antworten darauf liefert vielleicht das Onlinemedium „Übermedien“, das auf kurzweilige Weise aufzeigt, wie kleine Fakten zu großen Sensationen, gerne auch jenseits der Wahrheit, aufgebauscht werden.

Was soll die PR liefern?

Für unsere Arbeit als PR-Agentur ist es wichtig zu wissen, ob und wie sich die Wünsche der Journalisten geändert haben. Die Ergebnisse der Studie beruhigen: Wir sind auf dem richtigen Weg und haben gar nichts verpasst.

Knapp 70 Prozent wünschen sich „Forschungsberichte und Studien (z.B. Trends, Marktdaten)“.

Es sind nach wie vor Fakten, Daten und Zahlen, die sich Journalisten für ihre Arbeit wünschen.

Wie kommt ein PR-Experte auf die schwarze Liste?

PR-Profis wissen, wie man das schafft. Deshalb sollten mit der Pressearbeit nicht vertraute Mitarbeiter ihrem PR-Experten Glauben schenken und vertrauen, wenn er so manche Wünsche aus dem Unternehmen nicht erfüllen will. Das Risiko, von Journalisten für immer geblockt zu werden, ist hoch. Ein Zurück ins Positive ist ungemein schwer. Und wie genau verdienen sich Pressestellen und PR-Agenturen einen Platz auf der black list? Die folgenden Fehler können Konsequenzen haben:

  • „Irrelevante Werbeangebote (82,5 Prozent)
  • Bereitstellung von ungenauen oder nicht belegten Informationen (60,4 Prozent)
  • Themenvorschläge, die wie Marketing-Broschüren klingen (58,7 Prozent)
  • Wiederholtes Nachfassen bei mir (46,6 Prozent)“

Werbung, Marketing und Drängeln ist der Dreisprung ins Abseits.

Auf das Problem der Follow-ups gehe ich weiter unten genauer ein. Zuerst werfen wir erst noch einen Blick auf die sozialen Medien.

Welche sozialen Medien nutzen Journalisten?

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ohne soziale Medien ist kaum noch denkbar. Oder doch? Es scheiden sich die Geister. Ich denke, diese Frage lässt sich sowohl für jedes Unternehmen als auch jede Organisation nur individuell beantworten. Denn selbst, wenn die Inhalte, also Produkte und/oder Services, für die sozialen Medien taugen, sind immer noch Budget und personelle Ressourcen diejenigen Faktoren, die über ein Engagement auf den sozialen Plattformen entscheiden. Auf Krampf klappt es nicht. Vielleicht ist die Antwort auf die Frage, welche sozialen Medien Journalisten am häufigsten aus beruflichen Gründen nutzen, eine Hilfestellung für die Unternehmenspräsenz in den Netzwerken. Die Ergebnisse der Cision-Umfrage :

Soziale Medien werden von Journalisten vor allem für das berufliche Eigenmarketing genutzt.

Wir sehen ein Ranking, das keine Überraschungen bietet, oder? Entscheidend für uns als PR-Arbeiter ist jedoch die Frage, wozu werden sie eigentlich genutzt? Zur Recherche etwa? Dann würde ein Engagement auf den sozialen Medien zum Nutzen der Pressearbeit Sinn ergeben.

 

Wozu nutzen Journalisten soziale Medien?

Genutzt werden die Plattformen für das Eigenmarketing: zu 67,1 Prozent für die Promotion der eigenen Inhalte, zu 60,8 Prozent für die Interaktion mit der Zielgruppe und zu 57,9 Prozent für die Beobachtung anderer Medien.
Die „Recherche“ folgt erst auf Platz 5 mit 47,9 Prozent, aber immerhin doch mit knapp 50 Prozent. Journalisten nutzen die sozialen Medien vor allem aus Eigeninteresse und etwas weniger zur Recherche. Um Themenvorschläge und -Ideen zu gewinnen, nutzen nur 33,3 Prozent der befragten Journalisten soziale Plattformen.

Soziale Medien dienen mehr der eigenen Vermarktung als der Recherche.

Das leuchtet vor dem Hintergrund ein, dass der Kampf um Werbebudgets auch via Follower, Abonnenten, Klicks und Views geführt wird. Suchmaschinenoptimierung (SEO) ist für den Erfolg von Medien ebenso essenziell wie für Firmen und Organisationen. Der Wettbewerbsdruck unter Publizisten ist meiner Meinung nach sogar noch stärker als in Unternehmen. Denn im Pressegeschäft ist die persönliche Reputation eines Journalisten sehr wichtig. Deshalb sind in der Pressearbeit Exklusiv-Informationen manchmal die bessere Wahl als eine Pressemeldung; vorausgesetzt, es handelt sich um Informationen, die für das Marktsegment, das Medium und die Rezipienten relevant sind.

Welche PR-Instrumente wirken?

Good news: PR-Experten verstehen die Anliegen der Journalisten und ihrer Zielgruppe besser als 2021. Um 11 Prozentpunkte auf 55,3 Prozent ist die Zufriedenheit der Publizisten mit den PR-Experten gestiegen. Dieses Wachstum mag auch darauf zurückzuführen sein, dass immer mehr PR-Berater Presseinformationen mit zusätzlichem Material ergänzen: 83,2 Prozent liefern Bilder mit, Infografiken bieten 53,7 Prozent und Videos 42,8 Prozent der PR-Leute.

Bieten Sie mit der Presseinformation zusätzlich Bilder, Grafiken und Videos. Das ist perfekt.

 

 

Das wichtigste Informationsinstrument ist nach wie vor der Klassiker, die Presseinformation. Das sagen 81,6 Prozent der Journalisten. Der Aufwand, der in eine PI gesteckt wird, lohnt sich. Vorausgesetzt, die Presseinfo entspricht den Anforderungen der Journalisten.

Welche PR-Services sind gefragt?

Die befragten Journalisten haben einen Wunschzettel ausgefüllt. Was sollen PR-Berater tun, um die Arbeit der Medien zu unterstützen? Dabei geht es in den ersten drei Punkten darum, dass PR-Profis dann zur Stelle sind, wenn der Journalist etwas benötigt. Zweitens soll er zielgerichtet kommunizieren und schließlich soll er, wenn es um die aktive Pressearbeit geht, kurze Themenvorschläge mit Fakten liefern, damit der Journalist daraus kurze Inhalte erstellen kann.

Erreichbarkeit ist das A und O der Pressearbeit.

Interessant ist dabei aber der fünfte und letzte Punkt der Liste: „Übersicht mit geplanten Geschichten bereitstellen, die mir zeigen, ob interessante Themen für mich dabei sind.“ Was es damit auf sich hat, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Vielleicht können Sie es lösen? Ist damit die Roadmap für die Produktentwicklung gemeint? Ist es eine Zusammenstellung von interessanten Themen im Jahresverlauf, die die Organisation zu bieten hat? Ich weiß es nicht.

Sollen PR-Leute nachfassen oder nicht?

Ein heikles Thema ist das Follow-up. PR-Abteilungen lagern diesen Job gerne an Agenturen aus: „Fragen Sie bitte mal ‘rum, wer darüber schreibt und wann die Meldung veröffentlicht wird.“ Jeder PR-Profi weiß, dass man hierzulande einer Presseinformation nicht hinterher telefoniert oder mailt. Jedenfalls nicht ohne guten Grund. Der liegt dann vor, wenn der PR-Berater weitere Exklusivinformationen, begleitende Hintergrundgespräche oder Kundenreferenzen anzubieten hat.

Wie sehen Journalisten das Nachhaken? Aus den Umfrageergebnissen lässt sich kurz und bündig ableiten 0-3-1: Kein Follow-up ist das Beste. Aber wenn es sein muss, dann erst nach drei Arbeitstagen. Und nur ein einziges Mal. In Prozenten sieht das so aus: 52,2 Prozent sagen, PR-Leute sollen nach einem Themenvorschlag „nie“ nachfassen. Nach 3 Tagen ist für 21,6 Prozent okay. Und wie oft kann man nachfassen? Einmal Nachhaken ist für 38,6 Prozent in Ordnung. Aber „gar nicht“ ist 55,7 Prozent der Befragten am liebsten. Wiederholtes Nachfassen führt zu einem Platz auf der schwarzen Liste, sagen 46,6 Prozent. Auch über die sozialen Medien nachzufassen, ist keine gute Alternative. Das wollen 51,1 Prozent der Journalisten nicht.

Am besten fassen Sie bei Ihren Themenvorschlägen nie nach. Aber wenn, dann erst nach zwei oder drei Tagen.

Überwiegend ist also keine Nachfrage erwünscht. Relativieren möchte ich das jedoch mit Blick auf die tägliche Praxis. Ein PR-Berater kennt seine wichtigsten Journalisten ziemlich gut und weiß genau, wer wie kommunizieren möchte und wer wann erinnert werden möchte oder eben nicht.

Welche Quellen schätzen Journalisten bei der Recherche?

Die Antworten auf die folgende Frage sind mindestens bemerkenswert. „Während der Recherche für einen Beitrag schätzen die Journalisten folgende Informationsquellen…“:
Presseinfos: 28,6 Prozent, Branchenexperten: 21,4 Prozent. Es folgen Nachrichtenagenturen mit 20,1 Prozent, Unternehmens- /Pressesprecher: 13,9 Prozent, Themenvorschläge via E-Mail sind marginalisiert im einstelligen Bereich mit 6,4 Prozent zu finden. Bemerkenswert finde ich diese Liste deshalb, weil ich mir nur schwer vorstellen kann, dass Presseinfos, die ja einzig der Verbreitung von News dienen, bei der Recherchearbeit so wichtig sind. Da leuchtet der Kontakt zu einem Experten schon mehr ein.

Und welche Rolle sollen Themenvorschläge im Rahmen einer Recherche spielen? Wer recherchiert, hat doch bereits sein Thema. Die Social-Media-Kanäle sind nur für 1,8 Prozent der Journalisten für die Recherche relevant. (Das stimmt nicht so ganz mit der oben beschriebenen Nutzung der sozialen Medien für Recherche überein.) In ihrer Relevanz fast gleichauf mit Facebook & Co. liegen die Vertreter von PR-Agenturen mit 1,7 Prozent. Der Unternehmensblog liegt mit 0,5 Prozent an letzter Stelle der Recherchequellen.

Wie kann die PR die Recherche unterstützen?

Die Meldungen von Nachrichtenagenturen haben wir nicht in der Hand. Presseinformationen und Branchenexperten sehr wohl. Die Expertise, die unsere Kunden haben, verbreiten wir zum Beispiel aktiv und schriftlich in Form von „Statements“. Darin kommentieren unsere Kunden namentlich relevante Vorkommnisse, Entwicklungen oder Trends. Verschickt werden diese Statements wie eine PI, dürfen aber natürlich nicht so genannt werden, denn die PI hat eine fest definierte Struktur, definierte Sprache und Inhalte. Es müssen also nicht immer ein Interview, eine Pressekonferenz oder ein Round Table sein, um die Fachkenntnisse eines Unternehmens in den Markt zu tragen.

Zusammenfassung

Wie geht es Ihnen mit diesen Umfrageergebnissen? Waren für Sie Überraschungen oder neue Erkenntnisse dabei? Seit mehr als 40 Jahren beschäftige ich mich mit Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, arbeite seit mehr als 30 Jahren aktiv in der PR und sehe doch eine gleichbleibende Konstante: Kenntnis. Wenn PR-Verantwortliche die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsweise und die Denke von Journalisten kennen, ergibt sich automatisch das richtige Tun und es entsteht eine gute Kooperation mit den Kollegen auf der anderen Seite des Tisches.

 

Quelle: Den Bericht „2022 State of the Media – Fokus Deutschland“ erhalten Sie im Original hier auf der Cision-Webseite.

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