Kost was oder taugt nix – Die digitale Wirtschaft

Was ist der Königsweg, um digitale Kunden glücklich zu machen? Kostenlose Angebote, die Bugs haben und ihre Nutzer so zu Beta-Testern machen, oder bezahlte Angebote, die dafür ordentlich funktionieren? Ich führe diese Diskussion seit einer Weile mit mehreren Bekannten (nicht zuletzt Kollege Markus Pflugbeil), und bekomme sehr oft die Meinung zu hören: es ist Zeit, sich von der Gratis-Kultur zu verabschieden, und sich einem reiferen Geschäftsmodell zuzuwenden, indem Kunden wie überall sonst auch für gute Produkte Geld zahlen. Dafür könnten sie sich aber auch darauf verlassen, dass sie funktionieren, und bei Bugs Produkthaftung verlangen. Ein weiterer Vorteil: keine Werbung, keine Veraltenserkennung und kein Schindluder mit Datenhandel zu Marketingzwecken. In einem Punkt ist diese Hoffnung wohl zum Scheitern verurteilt. Im anderen gibt es erste Ansätze, dass Kollege Markus seinen Willen bekommen könnte.Zumindest unter uns, die wir professionell mit den Sozialen Netzwerken arbeiten, hat die Nachricht vom ersten Erfolg von App.net für Interesse gesorgt: hier ist eine kostenpflichtige Alternative zu Facebook und Twitter, die eine Menge der Bedenken bezüglich des Datenschutzes besänftigt. Es ist das erklärte Ziel von App.net, für den Kunden da zu sein, nicht für die Werbe- und Marketingbranche. Es gibt erhebliche Meinungsunterschiede in Bezug auf die Frage, ob das Modell zukunftstauglich ist, oder ob es vielleicht zumindest zu früh destartet ist: bevor die breite Masse der Menschen Facebook und Twitter als mehr als nur lästige Datenkranken empfindet also. (In Deutschland, so scheint es mir, sind wir hier vielleicht einen Schritt weiter, ist das Bewusstsein für den Datenschutz beim Anwender etwas besser).

Nur die Zukunft wird zeigen, welchen Weg die Entwicklung geht, oder ob nicht beide Modelle ihre Berechtigung haben. In einem anderen Punkt aber wird die digitale Welt weiter nach dem „Was nix kost, taugt nix“-Muster verfahren: bei der Produkthaftung. Es zeigt sich immer wieder, dass es fehlerfreie Software, fehlerfreite Systeme einfach nicht geben kann. Ein Artikel von Ellen Ullmann in der New York Times unterstreicht dies. Sie nennt Initiativen, der Finanzwirtschaft das vollständige Testen ihrer Handelssysteme auf Fehler vorzuschreiben, absurd. Das einzige Gegenmittel gegen Computerpannen-generierte Aktienmarkteinbrüche (wie im Fall Knight Capital) sind noch mehr Systeme: AI-Wachhunde, die bei unerwarteten Schwankungen den Handel unterbrechen und zur Prüfung die Ultima Ratio der Intelligenz anrufen: den Menschen. Es obläge damit Experten aus Fleisch und Blut, den entscheidenden Fehler zu machen (oder, optimistisch, zu verhindern).

Was mich zur überraschenden Erkenntnis bringt, dass wir fehlerhaften Menschen unsere eigene letzte Hoffnung sind. Über unsere ebenso unvollkommene IT zu lästern gleicht dann dem olympischen Hammerwerfen im Glaspalast.

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