NYT mit 2,5 Millionen Digital-Abos: Zukunft des Journalismus gesichert!?

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NYT

I’m gonna take you on a trip
Start spreading the news

(nicht Frank Sinatra*, New York, New York)

Heute früh erreicht mich die „Randnotiz“ einer geschätzten Kollegin: „New York Times: ‚Die Zeitung hat heute 3,5 Millionen Abonnenten – mehr denn je -, doch 2,5 Millionen von ihnen lesen sie nur im Netz. Und sie bezahlen dafür.‘ Eine Notiz zur These, die „klassischen Medien“ verlören Reichweite, Bedeutung und Leser.“ Zwischen den Zeilen steht hier ja, Medien und Journalismus sind erfolgreich, wie eh und je, nur halt digital (und damit sind und bleiben sie auch für die PR anhaltend das Wichtigste). Ich meine, diese Interpretation greift viel zu kurz und vernachlässigt Wesentliches.

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NYT am Genfer See: Photo by Reynier Carl on Unsplash

Die blanken Abozahlen sind natürlich richtig. Meine These ist aber komplexer, sie lautet: mit dem Digital-Geschäft lassen sich nie mehr die Umsätze erzielen, wie sie mit dem Print-Geschäft möglich waren und damit wird die Digitale Transformation des Journalismus eingeläutet, was gravierende Folgen für Verlage und andere kommerzielle Inhalteproduzenten hat (und damit für PR). Die dramatischen Einnahmeverluste der Verlage beziehen sich sowohl auf die gesunkenen Preise pro Digital-Abo, die weiterhin sinkende Zahl der Print-Abonnenten und insbesondere, als ehemals stärkste Einnahmequelle, das eingebrochene Print-Anzeigengeschäft (die Friedrich-Ebert-Stiftung berichtet bereits in ihren „Analysen zur Informationsgesellschaft Nr. 9/2003″ von einem Einbruch der Stellenanzeigen in Print um 75 Prozent innerhalb der Jahre 2000 bis 2003!!!).

Es ist ja erklärte und veröffentlichte Strategie der NYT, ihr Digital-Abo sehr billig anzubieten; dabei geht es auch um wachsende Umsätze, aber vor allem um Marktanteile und darum, oft übersehen, bei Internet-Nutzern nicht aus dem Set der Nachrichten- und Infoquellen zu fallen, weil man zu teuer ist. Deshalb wirkt sich der Wechsel von Zeitungen aus dem Print ins Digitale auch qualitativ auf die Zukunft der Zeitung aus.

In der Konsequenz lautet die These deshalb für Zeitungen, die nicht die Reichweite der NYT oder der Süddeutschen (und die finanzielle Substanz ihrer Verlage) haben, dass die Qualität sinken muss, weil die Umsätze in den Keller rauschen, weil Digital nur einen Bruchteil von Print generiert. Das hat die bekannten Folgen:

weniger Journalisten, weniger Qualität, weniger Leser, weniger Anzeigen, weniger Umsätze und da capo, schlimmstenfalls bis zum bitteren Ende. Im Branchenjargon genannt: Anzeigen-Auflagen-Spirale abwärts, wer will, kann sagen: ein Teufelskreis. Oder mindestens genauso schlimm: Der Verlag und sein Controller oder Unternehmensberater suchen die Rettung im Klickbetrugs-Journalismus (reißerische Überschriften, die zwar zu vielen Klicks führen, hinter denen aber keine substanziellen Inhalte stehen), der die letzte Glaubwürdigkeit raubt und das Medienprodukt austauschbar mit beliebigen Quellen im Internet macht, mit denselben Folgen.

Im Tageszeitungsbereich lohnt ein Blick darauf, wie viele Ein-Zeitungs-Kreise es gibt: „Von 443 deutschen Landkreisen und Städten wurden im Jahre 2004 bereits 299 nur durch eine tägliche Lokal- oder Regional-Zeitung versorgt.“ Und: „Die Tendenz geht derzeit ja in die Richtung, dass nur noch ein paar große Dienstleister übrig bleiben, die Mantelteile für zahlreiche Regionalzeitungen produzieren.“

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Die Skyline von New York: Photo by Anders Jildén on Unsplash

Die Konsequenzen sehen wir nun bereits auch bei Fachmedien; die Bereitschaft zu Medienkooperationen und Vermischung von Werbung und Redaktion nimmt zu (was manchmal, aber nicht immer, gut für PR ist). In dem Maße, wie altgediente Anzeigenverkäufer/innen und Werbeleiter den Stab an Digital Natives übergeben, wird auch dort der Wandel dramatisch spürbar werden, da sich ja auch die potentielle Leserschaft verjüngt – die Suchmaschine wird zur ersten Informationsquelle, das persönliche (Online-) Netzwerk zur Zweiten, ob an dritter Stelle schon eine Print-Publikation folgt, möchte ich dahingestellt lassen…

Und zum Schluss zurück zur NYT: Ich glaube, Betriebswirt bei einer Zeitung bzw. einem Zeitungsverlag zu sein ist ein harter Job; kein Wunder, dass Controller dort so verhasst sind. Ein Blick auf die von mir auf die Schnelle recherchierten Preise (ohne Gewähr) zeigt: Laut Presseplus kostet ein Print-Abo der NYT in Deutschland frei Haus 585,00 Euro pro Jahr; das sind gut 400 Euro weniger (!) als beim Einzelverkauf. Der günstigste Digitalpass ist aber schon für 1 Dollar pro Woche, also 52 pro Jahr zu haben, das entspricht 44,40 Euro. Selbst der teuerste Digitalpass inkl. Kochrezepten (!) und Kreuzworträtsel (!) und Zugang zu Redakteuren kostet nur 4,40 Dollar also rund 230 Euro pro Jahr, also nicht mal die Hälfte des Print-Abos. Und jetzt kommts: Für 2,20 Dollar bzw. 4,40 Dollar pro Woche im Jahr bekommt man noch 1 bzw. 2 Abos „geschenkt“ dazu; wenn man ehrlich wäre, müsste man also die Abo-Preise durch 2 bzw. durch 3 teilen bzw. man könnte sich ausrechnen, wie viele der 2,5 Millionen Digital-Abonnenten „geschenkt“ sind… #ControllerrauftsichdieHaare #wielangekanndasgutgehen

Und ganz zum Schluss: wo bleibt das Gute? Das Gute am Internet, an der digitalen Transformation, ist, dass neue Geschäftsmodelle ohne den Wasserkopf eines Verlags (mit Druckerei) oder einer Sendeanstalt (mit TV- und HF-Studio) möglich werden. Es gibt Journalismus, der durch Crowdfunding finanziert wird, (Krautreporter als Genossenschaft oder Crowdspondent, als zwei Selbstständige), es gibt gemeinnützigen Journalimusorganisationen (Correctiv) und mitgliederfinanzierte Journalismus Angebote (via Steady HQ, z.B. Deine Korrespondentin) und nicht zuletzt gibt es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. (Die Aufzählung soll übrigens eine Aufforderung sein, sich diese Angebote anzusehen, und das ein oder andere mit ein paar Euros zu unterstützen.)

Und als wirklich Allerletztes: Was hat das mit PR zu tun? Ich glaube, dass die zuletzt genannten Modelle zur Finanzierung von Journalismus sehr viel weniger „anfällig“ für PR sind bzw. für Methoden der klassischen „Pressearbeit“, z.B. Pressemitteilungen. Es ist damit viel aufwendiger dort Botschaften gezielt zu platzieren. In dem Maße, wie die Verlagskrise (die eigentlich keine Journalisten- oder Medienkrise ist), auch die Fachzeitschriften und ihre Online-Plattformen erreicht, wird es auch für B2B-PR immer schwerer, ihre Botschaften zu platzieren. Storytelling und Content Marketing in eigenen Kanälen („owned media“) und die Verbreitung über die eigenen Influencer (Corporate Influencer, Employee Branding) wird damit immer wichtiger. Aber das sind schon wieder neue Themen.

Beitragsbild: Photo by Steve Richey on Unsplash

 
*Liza Minelli

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