bloggen = neudeutsch für "abschreiben" – oder: versuch einer typologisierung der bloggerei

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an der universität leipzig wurde untersucht, ob das denn stimmt, dass die ganze bloggerei eine kritische und innovative alternative zum etablierten journalismus darstellt, oder ob blogger nicht in erster linie bei den etablierten journalisten abschreiben und ihre eigenleistung – wenn überhaupt – in einer mehr oder weniger intelligenten kommentierung der rechercheergebnisse der berufsjournalisten bestehe. an drei themenbeispielen werden die reflexiven beziehungen zwischen der bloggerszene und den traditionellen medien verständlich und spannend aufgezeigt:

gesetzliches rauchverbot

biosprit

boykott der olympischen spiele in peking

die ergebnisse sind spannend zu lesen und unterstützen die ergebnisse, die für die usa bereits von zwei jahren vom „project for excellence in journalism“ belegt wurden: der anteil der eigenrecherchierten beiträge bei den blogs ist minimal (fünf prozent in den usa). fast achtzig prozent der blogeinträge sind meinungsäußerungen oder zitate. und dabei wurden hier nur a-blogger untersucht, also blogger, die als politisch meiungsführend gelten.

wer sich ein bisschen in der bloggerwelt auskennt aber weiss aus eigener anschauung, dass die allermeisten blogs völlig anders gestrickt sind.

eine gute kategorisierung schlägt michael haller in message online vor. in anlehnung und erweiterung an seinen unbedingt lesenwerten beitrag schlage ich folgende kategorien vor:

a) narzistenblogger, also freizeit-selbstdarsteller mit starkem ego und ausgeprägtem eskapismus. das ist die mehrheit. thematisch interessieren sie sich vor allem für das was sie vermeintlich können: fürs bloggen.

b) kuschelblogger, die in sozialen netzwerken vor allem anerkennung und emotionale nähe suchen. das sind die „hosen-runter“-blogger, die sich im internet outen, dass es eine wahre freude für professionelle datensammler ist.

c) idolblogger, auch a-blogger genannt, die zwar nur selten recherchieren, aber zumindest als sekundärauswerter nachrichten neu kombinieren oder kommentieren. eine besondere ausprägung dieser idolblogger sind die

d) lügenblogger, dies sich mehr oder wenig offen für die durchsetzung konkreter politischer oder wirtschaftlicher ziele instrumentalisieren lassen. ein widerliches beispiel hierfür ist andy martin, der mit seinem blog „contrarian commentary“ schon seit vier jahren gegen obama hetzt. siehe hierzu auch den beitrag von tim cole auf czyslansky.

e) expertenblogger, die in zum teil hochspezialisierten themenblogs ihr wissen mit anderen experten tauschen und aggregieren.

f) general-interest-blogger, die in einigen wenigen qualitativ hochwertigen blogs vereinzelt anzutreffen sind. haller nennt hier den guten alten spreeblick, die sicherputzer und den politblock. ich ergänze dann unbedingt thomas knüwer, de zwar nicht immer recht, aber immer gehör verdient. da finden sich dann in der tat einzelne journalistische perlen, basierend auf hartnäckiger eigenrecherche und journalistischer professionalität.

g) ach ja: und dann gibts da noch die corporate blogger, also zum beispiel die dampflog. hier basteln sich mehr (hier!) oder minder (woanders!) begabte blogger ein firmenimage. 😉

so – damit sind die schubladen fürs erste hinreichend definiert und wir können mit dem einräumen beginnen …

5 Kommentare
  1. Avatar
    oliverg says:

    Ich schätze mal, dass bei anderen Themen, wie ‚Trends bei Google‘ der ‚Google Chrome‘ die Blogs nicht nur schneller sind sonden eben auch eher Eigencontent liefern.

    Zudem besteht die leistung selbst eines „Nichtkommentierenden Linkblogs“ (das erste Weblog „Robot wisdom“war genau das) eben in der Filterung und sozusagen in der „Googlebefütterung mit backlinks“.

    D.h. die Blogospäre würde, selbst wenn sie NUR unkommentiert auf Medienbeiträge verlinkten würde, immer noch das „bemerkenswerte“ von dort herausfiltern.

    Anders: Statt Netzeitung, Heise, Spiegel Online und Golem zu lesen, lese ich 3 (oder 30) Linkblogger, die mir obige Quellen aufbereiten.

    Aber das müsste man verstehen, bevor man solche Untersuchungen macht 😉

  2. Avatar
    Michael Kausch says:

    korrekter ansatz: blogs als newsfilter. ich glaube auch., dass das eine wichtige aufgabe für blogs ist und überhaupt die filterfunktion im web auch künftig noch wichtiger werden wird. die frage, die sich mir dabei stellt: wie werden die „filter“, denen wir vertrauen wollen, qualifiziert? ich habe stark themenabhängig völlig unterschiedliche guides, denen ich filterfunktionen überlasse. anfällig ist ein solches vertrauensnetzwerk in jedem fall. das problem andy martin zeigt, wie solche vertrauenspositionen missbraucht werden können.

    übrigens traue ich den leipzigern durchaus zu, dass sie dieses systems verstanden haben. in der diskussion darüber, inwieweit die bloggerei eine herausforderung für den traditionellen journalismus ist (https://www.mediacoffee.de/jenspetersen/item/532), tut der hinweis auf die filtende und kommentierende, nicht aber recherchierende funktion der blogs not.

  3. Avatar
    Martin Emmerich says:

    Michael Haller hat in dem bei Dir verlinkten Artikel aus „message – Internationale Zeitschrift für Journalismus“ versucht, die Blogger einigermaßen differenziert darzustellen.
    Allerdings hat er den kritischen Blick auf sich selbst bzw. die Journalisten selbst vergessen:
    Ich habe im Juni 2008 über eine Studie der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen berichtet, die belegt, daß das Gros der Journalisten sich ähnlich verhält, wie die Blogger:

    – Eine Überprüfungsrecherche findet kaum noch statt.
    – Journalisten beobachten die Nachrichten- und Themenlage vor allem mit der Hilfe von Agenturen und anderen Medien. …
    – Fast die Hälfte aller Zusatzquellen wird mit Hilfe von Suchmaschinen recherchiert. …
    – Der Computer verstärkt den Hang zur Selbstreferentialität.
    – Webangebote redaktioneller Medien haben neben den Suchmaschinen Google und Yahoo sowie der Online-Enzyklopädie Wikipedia die größte Bedeutung für Journalisten bei der Online-Nutzung.
    – Nachrichtensuchmaschinen werden von vielen Journalisten genutzt.
    – Nachrichtensuchmaschinen greifen auf wenige Quellen zurück – und diese sind auch noch die bekannten und reichweitenstarken Angebote
    – Auch interessengeleitete Kommunikatoren mischen sich unter die Quellen von Nachrichtensuchmaschinen

    Ersetze Journalisten durch Blogger und alles kommt einem sehr bekannt vor.

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  1. […] kein ersatz für den professionellen journalismus. blogger sind fast nie die ersten, die etwas schreiben, und twitterer sind vielleicht manchmal die ersten, die etwas erleben, und gelegntlich die ersten, […]

  2. […] in klassischen medien ausgetragen: müssen blogger news produzieren? tun sie das überhaupt? (siehe hier) füttern die nachrichtenjournalisten der verlage ihre bloggenden kollegen durch? sind die […]

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