Phönix oder Wiedergänger: die blogpiloten entdecken Social Media News wieder

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social media release

(Bild:ShiftComm)

Das Social Media-Format geisterte vor zwei Jahren als vermeintlicher Heilsbringer durch alle PR-Gazetten und sorgte für viel Wirbel in den Stuben der PR-Redakteure, hatte doch ein Amerikaner namens Todd Defren ein webzwonulliges Format für Social Media News Releases definiert, das eine Zeitlang wirklich als „Pressetextformat der Zukunft“ galt. Die blogpiloten haben offensichtlich in historischen Tiefenschichten gewühlt und dieses alte Konzept nun wieder ausgegraben. Warum eigentlich?

Was sind Social Media News Releases eigentlich? Oder besser: was waren sie, als sie neu waren?

Social Media News Releases kehren das Prinzip der Presseaussendung um:

  • PIs werden nicht mehr versendet, sondern stehen auf einer Web 2.0 Plattform (z.B. WordPress) bereit.
  • Die PI wird dekonstruiert: Also:
    • Informationshappen statt linearer Text
    • Ausgelöste Zitate
  • Integration von Videos via YouTube und Fotos via Flickr
  • Verweise auf Link- und/oder Themensammlungen (technorati etc., digg etc., Flo weiß das besser…)
  • Distribution über RSS oder Microsbloggingtools wie Jaiku oder Twitter

Hier ein Überblick über die genaue Struktur eines Social Media Release (Auszug aus unserer internen Wiki):

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Überschrift: Muss wohl nicht erklärt werden

Untertitel: Ist auch klar, optional

Highlights/Schlüsselfakten: Das ist der Hauptunterschied zur klassischen PM. Es handelt sich um eine kurze und auf den Punkt gebrachte Zusammenfassung der wesentlichen Fakten, die überhaupt der Grund dieser Pressemitteilung sind.

Zusammenfassung: Für alle, die nicht so sehr auf einer Stichpunkte-Aufzählung stehen, kann der wesentliche Inhalt der Pressemitteilung in einem kurzen Text zusammengefasst werden. Das gibt auch mehr Raum für Tonalität und Perspektive.

Tags/Schlüsselworte: Damit die Inhalte schneller wiedergefunden werden können, sind Schlagworte oder so genannte “Tags” vorgesehen. Hier kann es auch direkte Links zu Social Bookmark-Diensten wie Mr. Wong, Readster oder Yigg geben, um die SMR dort abzuspeichern.

Links/URLs: Eine Verlinkung zu anderen Quellen gibt es zwar bereits in den meisten anderen Bereichen SMR. Trotzdem ist dieses separate Element sinnvoll, damit die Empfänger sofort einen Überblick über interessante Links haben.

Link-Typen: Eine der Gründe, warum es in der SMR ein separates Link-Element geben sollte, ist auch die Möglichkeit, hier nach Linktypen zu unterscheiden. Zum Beispiel Links zu Hintergrundquellen, Marktstudien, Anwenderberichten, Websites von Unternehmen oder Linksammlungen. Das ist für die Empfänger ein echter Service, der viel Recherchezeit einspart.

Reservierte Link-Typen: Sie bieten die Möglichkeit, auf die SMR in einer speziellen Gestaltung zu verlinken. So kann sie mit Hilfe von CSS (Cascading Style Sheets) im Corporate Design des Unternehmens dargestellt werden. Auch eine Präsentation im hRelease-Mikroformat ist damit möglich.

Zitate: Zitate sind auch schon in der traditionellen PM ein wichtiger Bestandteil. In der SMR werden sie als eigenes Element dargestellt und können von den Journaisten nach Belieben genutzt werden.

Audio, Video und Bilder: Mit Hilfe von RSS-Feeds können die Empfänger der SMR Logos, Fotos, Audio-Clips, Video und andere Multimediainhalte leicht in ihre Veröffentlichung einbauen.

Andere Mikroformate: In der Web 2.0-Welt spielen standardisierte Mikroformate eine immer größere Rolle. Wird in der SMR etwa auf eine Veranstaltung hingewiesen, könnte hier das Kalender-Mikroformat hCal eingebunden werden, das Informationen wie Datum, Ort und Anfangszeit enthält.

Traditionelle Pressemitteilung: Um einen “sanften Übergang” zu ermöglichen, kann zunächste eine herkömmliche PM im Textformat in die SMR integriert werden.

Unternehmensprofil: In einem separaten Feld sollten Standardinformationen wie Unternehmensname, Kurzbeschreibung, Link zur Firmenwebsite, Ticker-Symbol, SIP-Code usw. dargestellt werden. Sind mehrere Firmen an der SMR beteiligt, können hier auch mehrere Unternehmensprofile auftauchen.

Kontaktinformation: Hier werden so genannte hCards eingesetzt, die als standardisiertes Format in Programme wie Outlook übernommen werden können.

RSS-Feed: In jeder Social Media Release gibt es die Möglichkeit zum Abonnement eines RSS-Feeds für künftige Informationen aus dem Unternehmen. Auch das Unternehmensblog kann darüber abonniert werden.

Datum/Zeit-Angabe: Damit der Empfänger auch später die Aktualität der Information beurteilen kann, wird die Zeit des Versandes der SMR hier festgehalten.

Geographie: Wenn die SMR nur für bestimmte geographische Gebiete gedacht ist, lassen sich Geocoding-Informationen verwenden.

Quell-URL: Quasi eine Quellenangabe bei der späteren Veröffentlichung, die auf das Original verweist.

Trackback-URL: Wenn sich später Diskussionen in der Blogosphäre auf diese SMR beziehen, lassen sich diese über die Trackback-URL verfolgen.

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Wer sich weiter in die Materie der SMNR einlesen möchte, dem seien die Links im Wiki von Thomas Pleil angeraten: https://thomaspleil.bluwiki.com/go/BloggerRelations#Aspekte_von_Blogger_Relations. Nicht mehr ganz taufrisch, aber eigentlich hat sich da in den letzten Jahren nichts geändert.

Wie soll man sowas nun einschätzen?

Nun ja: natürlich sind SMNR klasse datenbanktauglich. Und Blogger lieben sie, weil sie aussehen wie ein Blog, riechen wie ein Blog und überhaupt mit allen Vor- und Nachteilen eines Blogs behaftet sind.

Andererseits: sie „erzählen“ nichts. Sie transportieren nichts „zwischen den Zeilen“. Sie brechen so radikal mit unserer sequentiellen Wahrnehmung, dass sie meines Erachtens nach auch Informationswert verlieren. Für PR-Leute ist der Produktionsaufwand durchaus hoch, für PR-Agenturen in der Regel zu hoch, da die Kunden nciht bereit sind dafür extra zu bezahlen. Ein Hauptargument, das lange gegen klassische Pressemeldungen sprach, ist heute eh obsolet: natürlich ersteicken Journalisten in zugemailten Pressetexten. Aber immer mehr Journalisten gehen doch heute dazu über, sich ihre Informatinen aktiv über RSS-Feeds zu besorgen. PR-leute, die ihre Botschaften noch immer nicht als RSS zur Verfügung stellen, sind selbst schuld.

Auch finden immer mehr Elemente der SMNR in traditionelle Pressemeldungen Einzug. Links auf Multimedia-Dateien und auf ergänzende Informationen sind heute schon üblich. Kurz: fast alle interaktiven Elemente der SMNR ist heute auch Bestandteil von klassischen Pressemeldungen. Diese aber halten weiterhin das Fähnlein „runder Texte“, also abgeschlossener Texte, die einer gewissen Dramaturgie folgen und auch ein vernünftiges Ende haben, hoch. Texte statt Informationshappen plus sinnvoller Verlinkung auf Zusatzinformationen – ich meine so hat der Pressetext eine Zukunft und das Social Media News Release eine Vergangenheit. Der Kreiselnavigator der blogpiloten sollte neu eingenordet werden. Oder?

2 Kommentare
  1. Avatar
    Phönix says:

    Da haben Sie recht, den Text bei blogpiloten nicht bis zum Ende gelesen zu haben. Denn noch älter als 3 Jahre alte Konzept ist das Pressezentrum bei vibrio, das noch mit FrontPage in Version 4 erstellt wurde. Ein für das Jahr 1999 wirklich reichlich spät geborenes Baby aus Redmond. Warum sollte also eine der führenden PR-Agenturen auf so einen Killefit wie eine SMNR Seite herunter blicken? Weil das mit Frontpage nicht realisierbar ist?

    Weil eine Firma, die sich für 5T€ ein eigenes Blog mit einem Social Media Newsroom Template einrichtet, wohl keine externen Presseverteiler und -boxen benötigt – außer natürlich für news aktuell, weil man noch immer glaubt, dass Clippings von 63 Websites einen Wert besitzen.

    Weil die Idee der Pressemitteilung obsolet ist und SMNR nur ein Übergangsstadium ist? Wie beschrieb es Jeff Jarvis so schön: Im Zeitalter von Google wird der Mittelmann eingespart. Wer in Sozialen Netzwerken und über Blogs direkt mit Kunden kommuniziert, braucht keine teuren und unpräzisen Gießkannen-Reichweiten, die über die Agenturen bedient werden. Der spricht diekt mit Kunden und Presse über Social Media. cut out the middleman.

  2. Avatar
    Michael Kausch says:

    @ phönix
    zum thema frontpage 4.0: ich muss gestehen, dass ich gelegentlich zum einschlagen von nägeln sogar einen hammer benutze, obgleich dieses werkzeug schon vor rund 40.000 jahren entwickelt wurde und wesentliche updates – abgesehen von der einführung des eisens – später nicht mehr vorgenommen wurden. andererseits: vielleicht ist es ja gar nicht so falsch, werkzeuge nach ihrer funktion und akzeptanz auszuwählen und nicht nach ihrem aktualitätswert. letzterer ist, wir sprachen bereits davon, ohnehin offensichtlich stets nur relativ zu beurteilen …

    wir fragen ab und an journalisten, welche tools sie bevorzugen und versuchen uns dann danach auszurichten. so haben wir zum beispiel in der vergangenheit eher konservativ agierende einrichtungen, wie die dpa, erst später vom fax- auf den elektronischen versand von pressemeldungen umgestellt, obwohl das fax – ich weiß – schon vor jahren hoffnungslos veraltet war …

    viel wichtiger aber ist, dass sie, lieber phönix, in zahlreichen punkten ja durchaus recht haben: weniges ist wohl überflüssiger, als berufsblogger, die als „mittelsmänner“ die blogs fremder leute schreiben. im zeitalter des web 2.0 und meinetwegen auch des 3.0 und meinetwegen auch im post-google-zeitalter verlieren die mittelsmänner ihre mittelsmann-funktion zunehmend. das ist auch gut so. online-pr-leute sollten ihre kunden dabei unterstützen den kulturellen wandel in das zeitalter des direkten kundenkontaktes schneller und reibungsloser zu bewältigen. sie sollen beraten und nur in ausnahmefällen in den blogs ihrer kunden rumschreiben. die entwicklung ins web 2.0-zeitalter fällt vielen unternehmen aber gar nicht so leicht. da fürchten geschäftsführer „kontrollverlust“, bloss weil sie bislang den inhalt von pressemeldungen kontrollieren konnten (bei der berichterstattung ist dies auch früher so nie gelungen). da fürchten mitarbeiter, sie könnten ihr spiel mal als „mensch“ und „freier“ die eine meinung, und mal als mitarbeiter und abhängiger eine andere meinung zu äußern, nicht mehr länger spielen, wenn sie mit namen und funktion im firmenblog schreiben. auch der mut zur eigenen meinung muss erst wieder entwickelt werden. letzteres ist übrigens nach meiner erfahrung viel häufiger das geburtsproblem von corporate blogs, als bornierte geschäftsführungen. die gibt’s schon auch …

    auch ihre kritik an den clippingerbsenzählern ist völlig berechtigt. aber solange zahlreiche journalisten nach anschlägen und nicht nach qualität bezahlt werden, müssen wir uns wohl damit abfinden, dass auch einige agenturen nach clippings und nicht nach qualität entlohnt werden. aber warum relativiert der blogpilot im gleichen atemzug den wert von issue management-analysten, die professionelle web-recherchen betreiben um zum beispiel alert-dienste für unternehmen einzurichten? es ist gut, wenn unternehmen nicht nur mit einzelnen kunden direkt reden – das haben intelligente unternehmen bislang auch schon in anwenderzirkeln und kundengremien, also weit vor der erfindung des internet getan – , sondern über alert-funktionen darauf hingewiesen werden, dass sich in der öffentlichen und online-meinung gerade zu recht oder zu unrecht etwas zusammenbraut, auf das man reagieren muss. issue management ist marktforschung mit modernen mitteln. es hat die gleiche „alte“ tradition wie das direkte kundengespräch.

    mir geht es im blogpilotenbeitrag einfach ein wenig zu kunterbunt drunter und drüber. plumpe schlager wie „cut the middleman“ sind schöne reißer, aber wenn man alles vereinfacht, bleibt man einer haltung verhaftet, die stets nur auf das – vermeintlich – neue setzt, und nicht auf das zweckmäßige.

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